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Deutsche, macht mehr Schulden und investiert endlich!

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat soeben ihren Jahresbericht veröffentlicht. Beim ersten Durchblättern bin ich gleich auf eine sehr interessante Grafik zum Schuldendienst der Unternehmen (ohne Finanzsektor) und der Privathaushalte gestoßen. Mit Schuldendienst sind Zins- und Tilgungszahlungen für Kredite und Anleihen gemeint – dividiert durch das BIP. Er gibt uns ganz gut Auskunft darüber, ob einer Volkswirtschaft schon bald ihre Schulden über den Kopf zu wachsen könnten.

130624_BIS_DEBTSERVICE_LEV(In einer ersten Version war hier eine Grafik, bei der die Skala nur bis 8 ging, darauf bezieht sich der Kommentar unten von egghat. Die Grafik ist jetzt geändert.)

Es geht also um eine Art Krisenfrühwarnsystem. Die BIZ schreibt, „Abweichung der Schuldendienstquote von ihrem historischen Durchschnitt hat sich bei der Vorhersage des Ausmaßes von Rezessionen und als Frühwarnsignal für Bankenkrisen bewährt.“ Auffällig sei Schweden mit der höchsten Schuldendienstquote von 31 Prozent, die auch noch 6 Prozentpunkte über dem Durchschnitt liegt.

In Portugal und Griechenland sind es rund 8 Prozentpunkte darüber. Die USA hätten dagegen mittlerweile ihre Schulden so weit abgebaut, dass der Schuldendienst wieder genau auf dem langjährigen Durchschnitt liegt. Das sind doch beste Voraussetzung, um den Konjunkturanschub durch US-Notenbank und Regierung langsam zu reduzieren.

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Auf der anderen Seite fällt natürlich Deutschland auf, das so wenig für den Schuldendienst zahlt wie kein anderes Industrieland. Hinzu kommt, dass wir mittlerweile mit 12 Prozent des BIP fast 2,8 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt der Jahre 1995 bis 2007 liegen. Wir Deutschen geben fast ein Fünftel weniger für Tilgungen und Zinsen aus. Update: Das entspricht übrigens rund 75 Mrd. Euro im Jahr 2012 verglichen zu den 13 Jahren bis 2007, die wir mehr zu Verfügung haben. Okay, wundern brauchen wir uns darüber nicht.

Wir laufen auf 8 Prozent Leistungsbilanzüberschuss zu

Statt daheim zu investieren (oder höhere Löhne zu zahlen), legen die Vermögenden dieses Landes – also Deutschlands Sparer – immer noch ihr Geld lieber im Ausland an. Allein von Januar bis April waren es laut Kapitalbilanzstatistik der Bundesbank einschließlich Direktinvestitionen netto 68 Mrd. Euro. Das sind 2,5 Prozent des deutschen Jahres-BIP. Auf das Jahr hochgerechnet sind das unglaubliche 7,8 Prozent. Soviel wäre es also am Ende des Jahres 2013, wenn wir weiterhin so viel Vermögen ins Ausland exportieren wie in den ersten vier Monaten dieses Jahres. Alles Geld, das zuhause fehlt, wenn man so will.

Wir schießen uns dermaßen ins eigene Knie – dass man nur noch heulen will. Nicht nur der deutsche Staat reagiert unglaublich dumm, dass er gerade auf Teufel komm raus seine Schulden abbauen will. Auch die Unternehmer und Vermögenden sind keinen Deut besser. Natürlich hat das alles auch mit den niedrigen Zinsen zuhause zu tun. Die Zeitungen sind voll mit dem Rumgejammer. Solange wir aber lieber weiter Kredit ans Ausland geben, wo es etwas höhere Zinsen als bei uns gibt, tragen wir eben auch nicht dazu bei, dass dort allmählich die Schulden sinken können.

Ein weiter Weg des Schuldenabbaus

Und so zögern wir den notwendigen Schuldenabbau nur hinaus – egal ob in Ländern, die schon in einer Krise stecken oder bald schon stecken könnten. So schreibt die BIZ:

„Die 2012 beobachteten Abweichungen der Schuldendienstquoten von ihrem Durchschnitt 1995–2007 (…) hängt vom aktuellen Zinsniveau ab. Dieses liegt derzeit jedoch in den meisten Ländern deutlich unter seinem historischen Niveau. Dies könnte davon ablenken, dass die Verschuldung noch weiter abgebaut werden muss und viele Länder noch einen weiten Weg vor sich haben, bis ihr Schuldenabbau abgeschlossen ist.“

ps: Hier noch die Ländercodes in den obrigen Grafiken: AT = Österreich; AU = Australien; BE = Belgien; CA = Kanada; CH = Schweiz; DE = Deutschland; DK = Dänemark; ES = Spanien; FI = Finnland; FR = Frankreich; GB = Vereinigtes Königreich; GR = Griechenland; IT = Italien; JP = Japan; NL = Niederlande; NO = Norwegen; NZ = Neuseeland; PT = Portugal; SE = Schweden; US = USA

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  • Jochen Quandt

    Der geringe Verschuldungsgrad erklärt sich nach meinem Eindruck damit, dass die dass die durchschnittlichen Deutschen (und wohl auch die Japaner, im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern) die wirtschaftliche Zukunft relativ pessimistisch sehen müssen. Denn sich zu verschulden lohnt sich nur wenn man erwarten kann, dass das geliehene Geld ausreichend Ertrag abwirft – was volkswirtschaftlich einer wachsenden Wirtschaft entspricht.
    Vielleicht ahnen auch gar nicht so wenige, dass es mit unserer exportorientierten Dumping-Wirtschaft nicht mehr lange gut gehen kann. Dumm nur, dass es bislang niemanden gibt, der sich traut, das Ruder umzuwerfen.

  • egghat (@egghat)

    Guter Artikel, aber der oberste Chart geht ja gar nicht. Die 0-Achse muss man auf Null legen und nicht auf 8, sonst verzerrt die Darstellung total.

    Die Grafik suggeriert, dass Deutschlands Haushalte mit weniger als der Hälfte der (eh schon niedrigen) finnischen Summe verschuldet sind.

  • André Kühnlenz

    @egghat

    Hmm… Da haste wohl recht… Mach ich noch einmal neu… Danke für den Hinweis :)

  • André Kühnlenz

    @egghat Dein Wunsch war mir Befehl… Die Grafik ist geändert…

  • egghat

    Ah, danke. Sieht doch etwas undramatischer aus als vorher. Ich gebe allerdings auch gerne zu, dass ich schon Grafiken gesehen haben, die durch die Verschiebung der Nullachse geradezu manipulativ verzerrt waren. Deine war höchstens etwas ungenau.

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