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Wann wirft die EZB ihre „Notenpresse“ wieder an?

Ja, wir müssen darüber nachdenken, ob und wie die EZB ihre (elektronische) Notenpresse wieder anwerfen wird. Auf der gestrigen EZB-Pressekonferenz wurde eins klar: Der alte Draghi-Trick mit den negativen Zinsen funktioniert nicht mehr. Die Markteilnehmer haben ihn längst durchschaut. Seine Äußerungen dazu waren (zunächst) einfach nur ein simpler Versuch Draghis, verbal an den Zins- und Devisenmärkten zu intervenieren. Denn so wollte der schlaue Notenbanker die Euro-Währung und die Geldmarktsätze drücken. Was Anfang Mai noch klappte – es funktioniert nicht mehr.

Auch das ist ein Grund mehr, sehr wachsam zu sein: Die Überschussreserven im Bankensystem können recht zügig Richtung 200 Mrd. € sinken. Das vermuten auch Christoph Rieger und Benjamin Schröder, Zinsstrategen bei der Commerzbank, in ihrem Wochenausblick (siehe auch Update im vorherigen Beitrag). Die 200-Mrd.-€-Schwelle sei von Mario Draghi ohnehin bereits implizit als Grenze einer „akkommodierenden Geldpolitik“ gezogen geworden.

Es besteht also die Gefahr, dass die Geldpolitik zu straff wirkt und die Wirtschaft nicht mehr anschiebt. Der Grund dafür liegt darin, dass die Geldmarktzinsen und damit eine Reihe von Kreditzinsen wieder anziehen werden, wenn die Liquidität im Banksystem zu stark sinkt – und das trotz rekordniedriger Leitzinsen. Interessanterweise denken die beiden CoBa-Strategen (ganz im Gegensatz zu mir – aber das heißt ja nicht viel) gar nicht daran, dass die EZB mit Zinssenkungen gegensteuern sollte und zunächst auch würde (meine Hervorhebungen):

„Wenn es die Liquidität ist, die die Zinsen höher drückt, sollte die EZB auch hier den Hebel ansetzen. Dabei drängen sich neue LTROs auf. Doch die Banken zahlen aktuell LTROs zurück, und man kann sie wohl kaum zur Beteiligung an neuen Tendern zwingen – es sei denn, die neuen Tender wären sehr attraktiv, z.B. wenn die Indexierung entfiele.“

Über LTROs (langfristige Refinanzierungs- oder auch Ausleihgeschäfte) hatte die EZB im Dezember 2011 und im Februar 2012 den Banken jeweils für drei Jahre Hunderte Milliarden Geld verliehen. Als Zins für diese Geschäfte wird fortlaufend immer der aktuelle Leitzins fällig (Indexierung). Am Ende hat die Bank dann den durchschnittlichen Leitzins über die Laufzeit des Leihgeschäfts gezahlt. Attraktiv wäre eine Abschaffung dieser Indexierung nur dann, wenn die Banken nicht mehr fürchten müssten, dass sie für neue langfristige EZB-Kredite auch einmal wieder höhere Zinsen zahlen müssen. Man könnte den Zinsatz auf 0,5 Prozent für ein, zwei oder drei Jahre fixieren.

„Für wahrscheinlicher halten wir ein Instrument, das bereits erprobt ist. Die EZB könnte erneut ihre Reserveanforderung reduzieren und sie sogar auf null senken. Durch Letzteres stiege die Überschussliquidität auf einen Schlag um 100 Mrd. €.“

Aktuell müssen die Banken Reserven bei der EZB vorhalten, die 1 Prozent ihrer Kundeneinlagen und kurzfristigen Verbindlichkeiten entsprechen (das sind die Mindestreserveanforderungen). Was kann die EZB noch tun?:

„Sie könnte aber auch ihre wöchentlichen Abschöpfungstender einstellen. Wenngleich wirtschaftlich unbedeutend, ist der Marketingeffekt, der von der Abschöpfung der über die SMP-Käufe geschaffenen Liquidität ausgeht, doch eine Art heilige Kuh. Das gilt insbesondere für die Bundesbank, die damit das SMP von den QE-Programmen anderer Notenbanken abzuheben suchte.“

Die Staatsanleihekäufe des SMP waren das erste Programm, mit dem die EZB die hohen Renditen in Griechenland, Irland, Portugal, Italien und Spanien zu drücken versuchte. Im Gegensatz zur quantitativen Lockerung (QE) in den USA, Japan und Großbritannien sollte im Euroland aber der Anstieg der Zentralbankgeldmenge immer neutralisiert (abgeschöpft) werden. Denn diese Reserven dürfen nach Logik der Bundesbank auf gar keinen Fall dazu dienen, dass Banken ihre Kredite ausweiten – es könnte ja irgendwann einmal Inflation entstehen (egal wie fern diese Zukunft auch sein möge).

Daher wird die Summe, die die EZB an Anleihen aus den Krisenländern hält (aktuell noch 197 Mrd. Euro), Woche für Woche aufs Neue in einem speziellem Konto (Termineinlagen) wegsperrt – Miniverzinsung inklusive. Dass die Zentralbankgeldmenge aber durch temporäre Anleihenkäufe (z.B. die dreijährigen Ausleihgeschäfte, bei denen die Banken Wertpapiere als Sicherheiten abgeben müssen) weitaus stärker gestiegen ist, bleibt eine weitere Absurdität der EZB-Rettungspolitik. So oder so, am Ende landet die Überschussliquidität immer bei der EZB. Deshalb gilt auch:

„Buchhalterisch betrachtet macht es auf der Bilanz der EZB aber keinen großen Unterschied, ob die Überschussliquidität über die Wochentender oder die tägliche Einlagefazilität abgeschöpft wird (…) . Durch diesen Schritt [die Einstelleung der wöchentlichen Abschöpfungstender] könnten sich die täglichen Überschussreserven um fast 200 Mrd. € erhöhen.

Bleibt am Ende aber eine Frage. Warum nicht einfach mit Leitzinsen von Null verhindern, dass die Geldmarktsätze wieder zu steigen beginnen (mehr Details dazu im vorherigen Beitrag)? Dann könnte uns eigentlich auch die Höhe der Überschussliquidität egal sein – solange sie nicht wieder rapide Richtung 800 Mrd. Euro anzieht.

Jetzt kostest es den Banken 0,5 Prozentpunkte mehr an Zinsen, Geld bei der EZB zu leihen als es dort zu parken. Aber wenn dieser „Abschreckungsmechanismus“ bleiben soll, dann zeigen die Gedankenspiele der CoBa-Strategen nur eins. Die EZB hat noch etwas Spielraum, den Zeitpunkt so lange wie möglich hinauszögern bis sie dann wirklich auf Null senken müsste. Die Notenbanker hoffen ja noch darauf, dass Euroland zum Ende des Jahres der Rezession entkommt und dieser Schritt womöglich gar nicht notwendig wird. Zugleich ist für den Herbst ein großer Befreiungsschlag gegen die Zombiebanken im Euroland geplant.

Mit Null-Zinsen wären zwar die Geldmarktsätze gedeckelt, aber danach kann dann nur noch die quantitative Lockerung kommen, wenn die EZB noch reagieren will (besonders wenn der Befreiungsschlag gegen die Zombiebanken misslingt). Eine quantitative Lockerung in Euroland würde jedoch die (langfristigen) Zinsen auch in Deutschland nochmals drücken. Dabei hat doch Draghi aber so großes Verständnis für uns deutsche Sparer, wie er gestern eindrücklich betonte.

Dass die deutsche Privat- und Staatswirtschaft trotz inflationsbereinigter Negativzinsen keine neuen Schulden aufnehmen (wollen, können, dürfen… was auch immer)  – das ist noch einmal eine ganz andere Absurdität dieser Krise. Nicht einmal mit geschenktem Geld wollen die Deutschen in ihre Zukunft investieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern – wie verblendet kann man denn eigentlich sein. Das Gejammer über den Verlust an Marktanteilen geht zwar schon wieder los. Aber natürlich müssen dann hier wieder die Löhne sinken, es dürfen niemals die Zinsen sein! Hallelujah!

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  • Stefan Behrendt

    Man sollte m.E. die Einlagefazilität auch mit in oben genannte Berechnungen aufführen. Dort liegen derzeit noch fast 100 Mrd. €. Diese werden zwar täglich neu dort hinterlegt, dies ist ja aber nur ein technischer Vorgang. Genauso gut könnten sie in den Einlagen auf Girokonten liegen und somit als Überschussreserven gezählt werden. Macht ja praktisch keinen Unterschied, und sie gehören darüber hinaus genauso zur monetären Basis wie die Reserven. Die Gelder in der Einlagefazilität werden ja nicht schwupp die wupp verschwinden. Sondern weiterhin nach und nach von den Banken über die LTRO Rückfuhr abgewickelt. Daher dürfte es für die Banken in der Liquiditätsversorgung keinen großen Unterschied machen, ob Sie sich durch die EZB nun täglich das Häckchen an den Zettel mit dem Wunsch zur Übernachteinlage machen lassen oder es gleich auf den Konten belassen. Mit der Einlagefazilität sind wir also noch bei deutlich über 200 Mrd. € Überschussreserven und der EONIA scheint auch nicht dramatisch zu steigen (abgesehen von 2 kleinen Hicksern jeweils am Ende der Monate Juni und Juli).

  • André Kühnlenz

    Die Einlagenfazilität wurde bei der Berechnung der Überschussliquidität berücksichtigt. Siehe auch hier: http://www.weitwinkelsubjektiv.com/2013/05/30/adios-dicke-bertha/

    Und richtig, die Überschussreserven liegen weiterhin bei deutlich mehr als 200 Mrd. Euro… Die oben genannten Befürchtungen haben sich (noch) nicht bestätigt…

  • Stefan Behrendt

    Ok. Dann hatte ich den Text nur falsch interpretiert.

    Mich wundert aber trotzdem, warum die EZB die Einlagefazilität nicht als Überschussliquidität auffasst. Technisch ist das vielleicht nachvollziehbar, da sie ja kurz vor Geschäftsschluss erst wieder bei der EZB zugebucht werden. Wenn sie dann aber am Ende des Tages da sind, erfüllen sie ja den gleichen Zweck wie die Überschussreserven auf den Girokonten. Für mich macht das qualitativ keinen großen Unterschied.

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