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Pionierehrenwort, sagt der rheinische Kapitalist

Soziale Gerechtigkeit ist so 1995. Oder auch 1985 – damals als die Jungs in der 10. Klasse noch Heavy Metal gehört haben. Wirkt alles ein bisschen angestaubt, wenn wir uns in ruhigen Momenten an die alten Zeiten erinnern. Heute läuft zum Beispiel ein Arbeitskampf in der Metallindustrie ganz harmonisch ab und alle haben sich lieb: „Miserables Ergebnis in den Tarifverhandlungen? Uns doch egal, wir können damit leben“. Einkommen und Vermögen in Deutschland driften auseinander? Nach wennschon…

Es geht lustig zu bei den Metallern – nicht nur bei den Arbeitnehmern. Auch die Arbeitsgeber sind nicht ohne. Mag ja sein, dass es schon zuviel verlangt ist, dass deren Lobbyisten bei den linken Kritikern der Nachdenkseiten vorbeischauen. Dort könnten sie so hübsche amtliche Statistiken und Grafiken studieren. Wer weiß, am Ende kommt die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ noch auf die Idee, dass wachsende Ungleichheit etwas mit der Finanzkrise zu tun haben könnte.

Aber nicht doch. Besser man erklärt den Leuten, was es eigentlich mit dieser Gerechtigkeit auf sich hat – am besten noch mit bunten Bilderchen, damit es auch jeder versteht… Ganz besonders die Jungs aus der Finanzindustrie, die viel zu oft viel zu weit denken. So wie Ex-Banker Alex (Nachname der Redaktion bekannt) hier auf Twitter:

 

Na gut, dann holt man sich doch besser wissenschaftlichen Beistand dazu. Muss ja alles Hand und Fuß haben so eine Kampagne. Da lässt sich das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung aus Essen nicht lange bitten, bleibt ja alles unabhängig und streng wissenschaftlich. Im RWI haben sie nämlich herausgefunden, was Steuererhöhungen bewirken können: „Langfristig ist zu befürchten, dass eine erhöhte steuerliche Belastung von zusätzlichem Einkommen die Bereitschaft zur Übernahme von Risiken und Anstrengungen verringert. Auch die wirtschaftliche Dynamik dürfte sich damit spürbar abschwächen.

Wahrscheinlich wird auch andersherum ein Schuh daraus, wenn es nach dem RWI geht. Weniger Steuern und vergleichsweise geringere Arbeitskosten führen wohl zu größerer „Bereitschaft zur Übernahme von Risiken und Anstrengungen“. Auch die „wirtschaftliche Dynamik“ dürfte dann erstarken. Sprich: Dann investieren deutsche Firmen endlich mehr, wenn sie schon mehr verdienen. Ist doch logisch, oder? Ungefähr so wie in den vergangenen 17 Jahren:

130522 DE INVEST

Upps, oder doch nicht? Vielleicht meinen die rheinischen Lobbyisten und Volkswirte auch ganz etwas anderes?

Vielleicht meinen sie mit Risiken doch die schönen giftigen Schrottpapiere aus Amerika oder Darlehen an spanische oder irische Banken? Irgendwo auf dieser Welt müssen wir ja für unsere kapitalgedeckte Altersvorsorge ansparen – bei unserer schrumpfenden Bevölkerung! Und die Welt da draußen soll auch nicht ohne Risiko sein, hört man so. Da soll es sogar schon einmal zu stärkerer „wirtschaftlicher Dynamik“ gekommen sein. Aber das ist wieder so 2005. Ab jetzt wird alles anders, ganz bestimmt, versprochen! Pionierehrenwort!

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