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Überschwemmung in Frankfurter Börsenköpfen

Unsere Freunde von der „Börse vor Acht“ wissen es natürlich immer am besten. Es sind also die Banken und jetzt sogar Großinvestoren, die sich billiges Geld von Zentralbanken leihen und damit angeblich die Aktienkurse auf nie gekannte Höhen treiben. Auch der lustigste „Experte“, der im Frankfurter Börsentempel noch seine Zeit tot schlagen darf, meldet sich zu Wort: „Das billige Geld ist wie Wasser – es sucht sich seinen Weg.“ Zwei Aussagen, die wir so schon vor Wochen bestellt hatten – Lieferung erfolgt, dankeschön.

Wer recherchiert, der hat keine Meinung, so geht ein alter ironischer Journalistenspruch. Nur beim Hessischen Rundfunk haben sie anscheinend die Ironie überhört oder sie betreiben dort lieber simplen Meinungsjournalismus. Ja klar, die Zeit ist schon sehr knapp so kurz vor der Tagesschau, da muss man halt auf den Punkt kommen. Dann braucht man sich auch nicht mehr fragen, warum die EZB von Mitte 2012 bis vergangenen Freitag exakt 414 Mrd. Euro an Zentralbankgeld vernichtet hat.

Die Banken brauchen mittlerweile ein Drittel weniger davon. Milliarden, mit denen die Geldhäuser unmöglich zugleich die Kurse getrieben haben können, oder doch? Ganz zu schweigen davon, dass man dem Zuschauer ja erklären müsste, wie genau diese Milliarden eigentlich die elektronischen Mauern der Zentralbanken verlassen – was sie eben nie tun! (Mit den Verbindlichkeiten gegenüber den Notenbanken stopfen die Krisenbanken gerade einmal so ihre Bilanzlöcher).

130508 EWU Equity Holdings

Ganz zu schweigen auch davon, dass die Aktienbestände in den Bilanzen der Geschäftsbanken irgendwie einfach nicht steigen wollen – zumindest noch lange nicht über das Vorkrisenniveau. Bei allen anderen wachsen sie etwas stärker, also bei Unternehmen, Fondsgesellschaften, Versicherungen, Stiftungen und Privathaushalten. Aber was haben die mit dem günstigen Geld der Notenbanken zu tun? Richtig, fast nichts. (Außer, dass die EZB verhindert hat, dass die Banken am Rand des Eurolands reihenweise kollabieren und ihr Kreditgeschäft völlig einstellen.)

Dass die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre bereits zu einer höheren Verschuldung bei allen Nichtbanken geführt hätte, ist auch nur ein Gerücht. Und: Ingesamt hielten alle Sektoren im Euro-Raum Ende 2012 immer noch weniger in Aktien als kurz vor Beginn der Finanzkrise im Sommer 2007 – sie haben die damaligen Kursverluste und Aktienverkäufe noch immer nicht ausgeglichen. Interessant ist dabei, dass die Banken Ende 2012 sogar noch 12 Prozent weniger hielten als damals. Bei den Nichtbanken waren es dagegen nur noch 3 Prozent weniger – was sie mittlerweile wohl aufgeholt haben könnten.

Aber das sind jetzt wahrscheinlich schon zu viele Fakten für den lieben Robert und unsere Freunde vom Fernsehen.

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  • LukasHugl

    Die Aktenkurse haben schon mit dem „billigen Geld“ zu tun, wenn auch anders als gedacht. Akten sind Wertpapiere, welche zukünftige Zahlungen versprechen. Der Gegenwartswert zukünftiger Zahlungen lässt sich durch Abdiskontierung ermitteln, wobei der Zins eine entscheidende Größe ist. Je niedriger der Zins, umso näher liegt der Gegenwartswert am zukünftigen Wert der Zahlung. Bei der ungefähren Bewertung von Aktien dürfte dann auch noch eine Rolle spielen, welche Erwartung die Marktteilnehmer für zukünftige Zinsveränderungen und damit Veränderungen des Gegenwartswerts der zukünftigen Zahlungen haben. Der Notenbankzins hat daher einen direkten Einfluss auf eine realistische Wertberechnung von Wertpapieren, welche von den Marktteilnehmern in deren Preisen reflektiert wird.

  • Tobias Müller

    @Lukas Genau. Aber André weist zum Glück darauf hin, dass die weit verbreitete aber falsche Vorstellung, Zentralbankliquidität würde genutzt, um Aktien zu kaufen und deren Preise in die Höhe zu treiben, einfach falsch ist. Und dieser Fehler unterläuft nicht nur Journalisten. Er ist unter Ökonomen weit verbreitet.

  • Harald Schumann

    Danke für die Klarstellung, habe mich das auch immer gefragt, aber nie zu sagen trauen ;-)

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