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Das Schwarz-Weiß-Weltbild des William R. White

Es macht immer etwas misstrauisch, wenn jemand alles, wirklich alles, was so schief läuft, mit den angeblich zu niedrigen Zinsen erklären will. Die Fed von Dallas hat ein Paper von William White, dem ehemaligen Chefvolkswirten der BIZ, veröffentlicht. Doch so richtig überzeugt es nicht.

William R. White – Ultra Easy Monetary Policy and the Law of Unintended Consequences

dallasfed.org/assets/documents/institute/wpapers/2012/0126.pdf



Okay, die globalen Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen mit der Verkettung von Niedrigzinsperioden zu erklären, ist vielleicht gerade noch so nachvollziehbar. Aber vielleicht sollte White auch mal erwähnen, wie viele Milliarden aus China und von den Ölexporteuren in dem halben Jahrzehnt bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2007 in die USA geflossen sind (es waren rund 5000 Mrd. $).

Diese Zahlungsströme haben weltweit das Zinsniveau so lange und stark gedrückt, dass selbst die Fed irgendwann machtlos war, als sie die Marktzinsen wieder steigen lassen wollte. Und die Milliarden haben erst den riesigen Kreditboom angefacht, an dem sich die Banken dumm und dusslig verdient haben.

Aus Whites Sicht dürften diese Ungleichgewichte aber eben mit den erwähnten Niedrigzinsen in den 1980er und 1990er Jahren zu tun haben, die zur Asienkrise und dem folgenden Wechselkursregime in China und eben auch zum Ölpreisboom geführt haben sollen.

Meint White also, dass höhere Zinsen alleine geholfen hätten, die Asienkrise, die Techblase und die Immobilienblasen in den USA, Irland, Großbritannien und Spanien zu verhindern? Meint er etwa auch, dass höhere Zinsen verhindert hätten, dass die Einkommen in den hochentwickelten Ländern so stark auseinanderdriften? Zweifel sind angebracht.

Wenn jemand die Rolle von Liberalisierung und Deregulierung im globalen Finanzsystem der vergangenen 30 Jahre mit keinem Wort erwähnt und wenn jemand völlig außer Acht lässt, dass eine löchrige Finanzaufsicht eben die andere Seite der Medaille ist und zu den Übertreibungen auf dem US-Immobilienmarkt beigetragen hat, dann kann man Whites Niedrigzinsthese nicht wirklich ernst nehmen.

Fraglich ist auch, ob man, wie White, heute noch ruhigen Gewissens Schumpeters These von der „schöpferischer Zerstörung“ anhängen und meinen kann, dass sie durch niedrige Zinsen unterbunden wird und somit die Triebkräfte der Kapitalismus bremst. Eine These übrigens, die selbst so manche (auch klügere) marxistische Konjunkturforscher bis zum Untergang der Staatssozialismus vertreten haben. Sie meinten nämlich, dass der Kapitalismus seinen Untergang nur immer wieder hinausschiebt und durch keynesianische Konjunkturpolitik den großen Knall nur hinauszögert.

Viel eher dürfte es jedoch so sein, dass die kapitalistische Wirtschaftswelt schon viel zu lange viel zu komplex für liberale Experimente geworden ist. Die Pleiten von Lehman und Griechenland sollten uns ein warnendes Beispiel sein. Deswegen spricht viel dafür, dass das, was Bernanke und Draghi gerade vorhaben, eben immer noch das Beste ist, was diesen Kapitalismus noch retten kann. Doch sehr viel mehr ist nötig.

Natürlich kann es sein, dass die Notenbanken den großen Knall tatsächlich nur hinauszögern – wie die alten Marxisten so gerne orakelten. Wir wissen es einfach (noch) nicht. Aber spricht das dann dafür, jetzt Millionen Menschen in den USA und Europa in Not und Elend zu stürzen? Vielleicht hilft es ja, wenn wir das simple Schwarz-Weiß-Weltbild des William White einfach mal hinter uns lassen.

http://wirtschaftswunder.ftd.de/2012/09/03/schwarz-weis-weltbild-des-william-white/

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