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Und was, wenn die EZB-Milliarden jetzt einfach aus Euroland abfließen?

Target hin oder her, was auf den ersten Blick dahinter steckt, ist eigentlich klar: Exportüberschüsse Deutschlands und die Kapitalflucht aus dem Süden und Westen Eurolands spülen Milliarden an Liquidität in die Kassen der deutschen Kreditinstitute. Nur damit sich keiner Ende März erschrickt, die Bundesbank dürfte dann längst Target-Forderungen von 700 bis 800 Mrd. Euro ausweisen, so mal meine grobe Schätzung (oder sollte ich Wette sagen?).

Sicher hat die Geldspritze an die Banken von netto rund 500 Mrd. Euro durch die EZB seit Ende Dezember dazu beigetragen, dass sich die Schuldenkrise erst einmal beruhigt hat. Dass diese Mittel eventuell von den Banken gar nicht so effektiv genutzt werden (zur Abwehr einer Kreditklemme), wie es sich die Euro-Notenbanker so dringend wünschen ist eine reale Gefahr. Denn was passiert, wenn deutsche Banken und Investoren ihre überschüssige Liquidität lieber dort anlegen, wo es ordentlich Rendite gibt, aber keine Staatspleiten drohen?

In den Krisenstaaten haben sie sich ihre Finger jedenfalls schon verbrannt, da werden sie noch eine Weile einen Bogen drum machen. Wir sollten also den Euro-Kurs die nächste Zeit sehr genau im Auge behalten, meint jedenfalls Hans Redeker. Mit dem Chefdevisenanalysten bei Morgan Stanley in London habe ich (zusammen mit zwei anderen Kollegen von anderen Zeitungen) in dieser Woche ein sehr interessantes Gespräch geführt:

FTD: Herr Redeker, zum Jahresanfang gingen viele Strategen davon aus, dass der Euro kräftig zum Dollar verlieren wird. In den vergangenen Wochen gewann jedoch der Euro. Warum?

Hans Redeker: Der Euro-Kurs ist seit Mitte Januar von 1,27 Dollar bis auf 1,35 Ende Februar gestiegen. Diese Gewinne wurden durch die EZB und ihre enorme Liquiditätsflut von rund 1000 Mrd. Euro ausgelöst. Die Banken besonders in Italien und Spanien haben sehr günstig Geld bei der Notenbank aufgenommen, das sie derzeit nur 1,0 Prozent kostet. Ein Teil des Geldes legten die Institute in Staatspapiere ihrer Länder an, die im Januar noch erheblich mehr Rendite boten als jetzt. Diese Käufe trieben die Kurse der Papiere nach oben, zugleich sanken deren Renditen. Parallel dazu mussten auch einige Fondsmanager oder Versicherungen außerhalb des Euro-Raums einsteigen, weil sie bestimmte Vergleichsindizes im Blick haben. Das war der Grund für die Euro-Stärke, die jetzt jedoch auch schon wieder vorüber ist. Ich erwarte, dass die Wirkung der EZB-Milliarden nicht mehr so stark beruhigend auf die Anleihemärkte wirken wird, wie noch bis Ende Februar.

FTD: Der Euro wird weiter verlieren?

Redeker: Das ist sogar sehr wahrscheinlich. Denn am Ende fließt die von der EZB im Umlauf gebrachte Liquidität in die Kernländer im Euro-Raum. Also vor allem nach Deutschland und die Niederlande. Sei es dadurch, dass eine spanische Bank einer deutschen Versicherung Staatsanleihen abkauft oder weil Verbraucher und Unternehmen ihre Gelder nach Deutschland schleusen. Bisher ist jedoch vieles der zugeflossenen Liquidität im deutschen Finanzsystem geblieben, wie die Einlagenkonten der Kreditinstitute bei der Bundesbank deutlich zeigen. Sollten die deutschen Geldinstitute weiterhin vorsichtig bleiben und die überschüssigen Mittel nicht wie vor der Finanzkrise bald wieder im Süden des Euro-Raums anlegen, dürften sie wohl außerhalb des Währungsgebietes angelegt werden. Das wird den Euro also eher belasten.

FTD: Das klingt danach, als wenn sich die Schuldenkrise im Euro-Raum jederzeit wieder zuspitzen könnte?

Redeker: Die Gefahr ist noch nicht gebannt. In meinen Augen war es ein großer Fehler, dass sich die EZB mit ihren griechischen Staatsanleihen nicht am Schuldenschnitt beteiligt hat. Sollten die Notenbanker in Portugal oder anderen Ländern wieder stärker Staatsanleihen kaufen müssen, falls dort wieder eine Panik ausbricht, wirken die EZB-Käufe sogar Krisen verschärfend. Denn jeder private Halter dieser Anleihen muss am Ende fürchten, schlechtere Papiere in der Hand zu halten, als sie die EZB hält. Denn praktisch müssen sie davon ausgehen, dass die Anleihen bei der EZB vorrangig bedient werden. Das macht das Instrument der Anleihekäufe weniger effizient. Wichtig wird jetzt, dass das Wachstum in großen Schwellenländern wie China nicht kollabiert, sonst kann sich auch die Schuldenkrise im Euro-Raum wieder verschärfen.

*** Interview-Ende ***

Zum letzten Punkt sind zwei Grafiken von Redeker interessant, die vermuten lassen, dass Chinas Investitionsboom schon bald einer Katerstimmung weichen könnte – ähnlich wie in Japan seit Anfang der 1990er Jahre:

http://wirtschaftswunder.ftd.de/2012/03/16/abfluss-ezb-milliarden/

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