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Absurdes Umschuldungstheater

Der wichtigste Teil in den Unterlagen wird fehlen, wenn die Abgeordneten im Bundestag heute das zweite Rettungspaket für Griechenland verabschieden werden. 726 Seiten – soviel müssten sie durchackern (h/t Blicklog), um heute Bescheid zu wissen, über was sie bei der zweiten Griechenrettung eigentlich abstimmen sollen. Vielleicht entdecken einige Parlamentarier darin die Milchmädchenrechnung: Wenn die Privatgläubiger Griechenlands auf 110 Mrd. Euro ihrer Forderungen verzichten, fließen 85,5 Mrd. Euro bis 2014 gleich wieder zurück. Am Ende kann sich Athen somit nur von sieben Prozent seiner Schulden entledigen.

Das Interessantere jedoch, die Schuldenanalyse der Troika, die den Finanzministern vorige Woche als Grundlage für ihre Entscheidung gedient hatte, fehlt in den Unterlagen völlig. Daraus geht hervor: Auch wenn das Land von gesenkten Zinsen profitieren dürfte – muss es jedoch einen Großteil der Entlastung selber stemmen: Allein das Bruttoinlandsprodukt muss zwischen 2013 und 2020 um 60 Mrd. Euro wachsen – eine mehr als gewagte Prognose. Noch stärker muss der Überschuss im Staatshaushalt vor Zinszahlungen zulegen – um 77 Mrd. Euro. Erst dann kann Athen darauf hoffen, 2020 nur noch eine Verschuldung von 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auszuweisen.

Aber kommen wir zur Rechnung, die die Finanzminister vergangene Woche aufgemacht und die sie zumindest den Journalisten als Rettung Griechenlands präsentiert haben – nur wie es aussieht, leider nicht bis ins letzte Detail dem Deutschen Bundestag. Nach meinem Eindruck wird nirgendwo ausdrücklich erwähnt, dass eine Summe von insgesamt 50 Mrd. Euro für die Bankrettung zur Verfügung steht. Aber der Reihe nach:

Klar ist, dass von 107,3 Mrd. Euro des ersten Pakets noch 34,3 Mrd. Euro übrig sind (24,4 Mrd. Euro davon sind Zusagen der Euro-Länder und 9,9 Mrd. Euro kommen noch vom IWF). Sollte der Währungsfonds, wie berichtet, sich mit 13 Mrd. Euro am zweiten Paket beteiligen, kommen auf die Euro-Staaten noch 117 Mrd. Euro neu hinzu. Macht zusammen eine Summe von 164,3 Mrd. Euro, mit denen Griechenland ab sofort rechnen kann. Doch sollte sich die hellenische Regierung nicht zu früh freuen. Denn wie wir gleich sehen werden, braucht Athen mehr als die Hälfte davon, um den Schuldentausch abzuwickeln, die Hälfte der Gelder fließt wieder zurück an die privaten Investoren.

Wichtig ist dabei, dass vom zweiten Paket mit einer Summe von 130 Mrd. Euro nur 54,5 Mrd. Euro für den Staatshaushalt Athens bestimmt sind – 75,5 Mrd. Euro sind für die Bankrettung und die Abwicklung des Schuldentausches vorgesehen. Mit den Geldern aus dem ersten Paket, von denen 10 Mrd. Euro für die Bankenrettung reserviert sind (und 24,3 Mrd. Euro für den Haushalt), werden 85,5 Mrd. Euro oder mehr als Hälfte der 164,3 Mrd. Euro Hilfszusagen an Banken und Investoren zurückfließen.

Die 50 Mrd. Euro zur Bankenrettung sind notwendig, weil vor allem griechische Häuser sehr viel Geld in Staatsanleihen ihres Landes investiert haben (so um die 50 Mrd. Euro). Was mit dem Sozialversicherungsfonds passiert, der 30 Mrd. Euro an Staatsanleihen hält, ist noch unklar. Sollte ihm nicht geholfen werden, wäre es ein ungeheurer Skandal. Auch so wird bereits die Absurdität der Umschuldung deutlich: Von den 110 Mrd. Euro ursprünglicher Entlastung bleiben am Ende 24,5 Mrd. Euro übrig – das sind effektiv nur sieben Prozent der 355 Mrd. Euro Gesamtschulden.

Und diese Nettoentlastung schrumpft sogar noch weiter auf nur 17 Mrd. Euro zusammen – wenn wir uns allein das erste Jahr anschauen. Denn der erste Schritt der Umschuldung wird nochmals teurer:

Von den 50 Mrd. Euro zur Bankenrettung werden erst einmal nur 23 Mrd. Euro kurzfristig gebraucht – allein darüber stimmen heute übrigens die Bundestagsabgeordneten ab. Desweiteren stimmen die Abgeordneten über folgende Hilfen ab: Für 5,5 Mrd. Euro bekommt Athen von der EFSF ein Darlehen, um Zinsen auf die zu tauschenden alten Anleihen begleichen zu können. Mit einem Kredit von 30 Mrd. Euro werden wiederum EFSF-Anleihen finanziert, mit denen die Gläubiger nach ein oder zwei Jahren ein Barauszahlungen bekommen sollen – verzinst natürlich. Und zusätzlich zu allen Rettungsmilliarden kommen weitere 35 Mrd. Euro hinzu – als temporäre Garantien für die EZB, damit die Notenbank weiterhin Staatsanleihen Griechenlands bei den Geldleihegeschäften als Sicherheitspfand der Geschäftsbanken akzeptieren kann.

Wie hier bereits beschrieben, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die 35 Mrd. Euro nicht wirklich gebraucht werden – aber sicher können wir da nicht sein. Allein in diesem Jahr steigt also schon einmal die Verschuldung Griechenlands durch diverse Darlehens- und Garantiezusagen um 93,5 Mrd. Euro. Wie bereits erwähnt, bringt das nur eine Entlastung von 17 Mrd. Euro im Vergleich zum Schuldenschnitt um 110 Mrd. Euro.

Sollten die Abgeordneten sich die anfangs erwähnte Schuldenanalyse im Internet heruntergeladen haben, so könnten sie sich schnell ausrechnen, dass Athen bis 2020 nur noch auf weitere 16 Mrd. Euro Entlastung hoffen darf. Der Grund dafür: Mit den Haushaltsüberschüssen und knapp 80 Mrd. Euro aus den beiden Rettungspaketen muss Athen Darlehen des IWF und der Euro-Notenbanken tilgen und Zinsen an alle Gläubiger zahlen.

Wie die letzte Grafik auch zeigt, liegen alle Zusagen von Euro-Staaten und IWF vorübergehend bei einer Summe von knapp 200 Mrd. Euro. Es fehlt also nicht mehr viel und Athen könnte die Privatgläubiger mit ihren 206 Mrd. Euro komplett auszahlen. Es wird Zeit, den Schuldentausch abzublasen bevor es zu spät ist. Natürlich müssten die Gläubiger dann stärker in die Pflicht genommen werden und ein Großteil der gewonnen Mittel in das Land investieren – etwa so wie hier vorgeschlagen. Zur Finanzierung eines solchen auf Wachstum ausgerichteten Rettungsplans demnächst an dieser Stelle mehr.

Hier noch die Schuldenprojektion der Troika umgerechnet in Mrd. Euro (zum Vergrößern auf das Bild klicken):

http://wirtschaftswunder.ftd.de/2012/02/27/marktwirtschaft-absurdes-umschuldungstheater/

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